Über den Künstler
Natur als
Bäume: Norman E. Rogers tritt zu den
einzelnen Baumindividuen in persönliche
Beziehung, er spricht mit ihnen, er versteht
die Bäume und die Bäume verstehen ihn. Er
portraitiert die Bäume in ihrer eigenen
Individualität mit Akribie, arbeitet den
Charakter jedes einzelnen Baumes heraus. Er
zeigt Bäume als eindrucksvolle
Gesamterscheinung ebenso wie deren
unauffällige Details. Norman E. Rogers macht
sich zum Anwalt der Bäume und übersetzt ihre
Klagen über ihre Misshandlungen durch
Menschen in Kunst.
Zitiert nach Dr. Hans Dieter
Knapp
Leiter der Internationalen Naturschutz
Akademie, Insel Vilm
Quelle: OZ vom 03.07.2008
Bäume, die zu leben scheinen
Ausstellung "Natur Impressionen" von Norman
E. Rogers in "Cultura 2000" eröffnet
OBER-GLEEN (mp).
Man möchte über die dicke, wie echt wirkende
Rinde dieser Eiche streichen. Wie ein uriger
Recke streckt sie sich als Gemälde bis zum
oberen Bildrand. Es ist, als höre man das
Knacken in ihren auf abenteuerliche Weise
gebogenen Zweigen. Zum Teil abgestorben,
weiter zur Krone hin mit sprießenden
Blättern dicht belaubt - ganz so, wie es bei
den Urwaldriesen aus dem nordhessischen
Reinhardswald üblich ist. Schaut man ein
wenig weiter in der Ausstellung "Natur
Impressionen" in Ober-Gleen, findet man an
der weiß gekalkten Wand des ehemaligen
Kuhstalls die Zeichnung einer Linde mit
einem Stamm von einem riesigen Durchmesser.
Ein Baum neben dem anderen, jeder völlig
verschieden in seiner Art und Darstellung.
Bäume, die zu leben scheinen, die sich fast
leise zu bewegen scheinen, so hat sie der
amerikanische Maler Norman E. Rogers auf
Leinwand und Papier gebannt. Mal mit
Ölfarben, dann wieder hell und leuchtend in
Acryl, ein anderes Mal fast sinnlich mit
Rötel oder Graphitstift schattiert.
Beeindruckend fangen sie das Gegenüber ein,
erzählen von guten und von schlechten
Zeiten, die sie mit Beulen, Schrammen und
wuchtigen Auswüchsen überlebt haben.
Norman E. Rogers ist ein Künstler, der eine
tiefe Beziehung zu Bäumen und zur Natur hat.
Das spürte jeder der Besucher, der den Raum
von "Cultura 2000" in Ober-Gleen bei der
jetzigen Vernissage betrat. Imposante
Veteranen, mächtige Huteichen, mit
flauschigem Moos bewachsen, Blutbuchen mit
riesigen Wurzeln wie aus einem Märchenbuch,
Tanzlinden oder Zigeunerbäume.
Mitsamt ihrer
starken mystischen Ausstrahlung sind sie im
Bild festgehalten, der Betrachter wird in
jedem Falle in irgendeiner Weise emotional
verwickelt. Kurz und interessant erzählt
Norman E. Rogers aus seinem Leben. Begonnen
mit dem Malen hat er, als er plötzlich
beruflich auf der Straße stand. Als nach
Öffnung der deutsch-deutschen Grenze von
heute auf morgen sein Arbeitsplatz als
Kulturbeauftragter bei der US-Army
ausradiert wurde und obendrein sämtliche
Papiere auf Nimmerwiedersehen verschwunden
waren.
Ausstellungen
weltweit faszinieren inzwischen die
Menschen. In Ober-Gleen erzählt Norman E.
Rogers zu einem der Bilder eine besondere
Anekdote: Angesprochen wurde er bei einer
Ausstellung von dem Förster des Reviers, in
dem sich die urig zerzauste Linde befindet.
Völlig versteckt, weswegen der Revierbeamte
Zweifel anmeldete. Er kenne diesen Baum
nicht. Rogers beschrieb ihm den Weg - zwei
Tage später erfolgte der Anruf: "Habe sie
gefunden!" Generell geht Rogers im Übrigen
direkt vor Ort: "Ich nehme mein Atelier mit
raus in die Natur!" Dazu holt er sich die
notwendigen Genehmigungen bei den
zuständigen Behörden ein.
In einer
prägnanten und packenden Art zeichnete
Forstamtmann Karl-Heinz Zulauf den Besuchern
seine Sicht zu den Bäumen. Der Revierbeamte
aus Ober-Gleen drehte das Rad der Geschichte
zurück: Vor 350 Millionen Jahren
entwickelten sich aus den bestehenden Farnen
die ersten Bäume. Was unter anderem in der
Bibel mit Adam und Eva und dem Baum der
Erkenntnis begonnen habe, bestehe seit der
Steinzeit: Das Verhältnis von "Mensch und
Baum". Gingko-Baum, Oliven- oder Mammutbäume
seien Relikte aus Urzeiten, die sich bis
heute als Baumarten erhalten hätten. Raubbau
am Wald habe es bereits im 15. und 18.
Jahrhundert gegeben, als für den Schiffsbau
immens viel Holz gebraucht wurde. Heute
gehören Erdrutsche, Schlammlawinen,
Verwehungen zu den Folgen von unsachgemäßem
Raubbau an Wäldern. Karl-Heinz Zulauf ließ
die Besucher nachdenklich mit seinem letzten
Satz zurück: "Mit dem Fällen des ersten
Baumes beginnt die menschliche Kultur. Mit
dem letzten fällt sie."
Die Grüße des
Magistrats in Kirtorf übermittelte in
Stellvertretung des Bürgermeisters Gernhold
Böttner. Spontan sprach der Vorsitzende der
Jagdgenossenschaft Ober-Gleen, Rudolf Scheld,
den Wandel der Zeiten aus seiner Sicht an.
Selbst hat er über Jahrzehnte Holz gerückt,
unter anderem mit seinen Pferden. Nun müsse
man miterleben wie beispielsweise durch
Sturmschäden und durch Umwälzungen in den
Strukturen der Forstämter (immer weniger
Personal) sich der Wald nicht nur in seinem
Bild massiv verändere.
Als Gastgeber
begrüßte Ernst A. Bloemers Künstler und
Besucher. Zum Zeichen der Eröffnung kurbelte
er traditionsgemäß das alte Fressgitter im
"Kuhstall" nach oben. Die stimmungsvolle
Vernissage konnte beginnen. Enden wird sie
am 18. August mit einer Finissage, in der
auch eine Ausstellung mit modernem Schmuck
zu sehen sein wird. |